Impuls zum Karfreitag, 10. April 2020
Karfreitag
Gott in dunkler Stunde
„Und als die sechste Stunde eingetreten war, kam eine Finsternis über die ganze Erde bis zur neunten Stunde.“
Dunkel war’s, an jenen frühen Nachmittagsstunden. Tiefe Nacht. Kaum etwas regte sich mehr. Eine gespenstische Stille herrschte.
Wo waren die vielen Schaulustigen, die eben noch dagewesen waren und ihre Sprüche geklopft hatten?
Einige waren noch da, die immer noch auf ein Wunder warteten - hofften, der Messias würde im letzten Augenblick noch herabsteigen, und so aller Welt seine göttliche Macht beweisen.
Sie hatten gewartet und gewartet, aber nichts geschah. Der Körper am Kreuz wurde immer schwächer.
Was ist mit Gott los? Warum greift er nicht ein?
Wo bist du, Gott? Die Frage kommt auf, die alle sensiblen Menschen stellen.
Der Platz Golgatha leerte sich zusehends. Manch einem schien klar:
Dieser schlaffe Körper am Verbrechergalgen kann doch nicht der von Gott Gesandte sein. Das ist doch unvorstellbar. Gott kann doch nicht derart kläglich scheitern.
Die Jünger, seine engsten Freunde, sie haben es schon vorher nicht mehr ausgehalten. Wer weiss, wo sie nun sind!? Ihre Hoffnungen und ihr Einsatz für eine bessere Welt - alles hat sich zerschlagen. Alles umsonst.
Aus der Ferne schauen noch einige Frauen zu, die Jesus im Leben nahegestanden sind.
Keine sagt mehr etwas. Seit Stunden stehen sie da - fassungslos.
Das Grauen und Leiden der Welt – halten wir es nicht lieber auf Distanz?
Und meine „private Religion“: Möchte ich sie nicht möglichst freihalten vom Schmerz der Welt? … Gott spüren in angenehmen Gefühlen… Kultur geniessen und erhebende Erlebnisse… Erwarte ich in einem geistigen, lichten Raum meine private „Erleuchtung“?
Das Evangelium vom Karfreitag führt uns nicht in irgendeinen schwerelosen, lichten Raum. Nein, es führt uns hinunter, ganz hinunter auf den harten Erdboden, und hinein in die Finsternis.
Da, wo wir uns am liebsten abmelden würden - ausgerechnet da soll das Zentrum der Botschaft sein.
Es ist, als ob dieser einzelne Mensch und seine Todesgeschichte Gott ein besonderes Anliegen sind. In dieser Geschichte - so waren Christinnen und Christen immer wieder überzeugt - liegt das Geheimnis seines Wirkens: Gott hält an diesem Menschen fest. Allem Anschein zum Trotz hat er ihn nicht vergessen. Er lässt ihn nicht los. Er überlässt ihn nicht dem Tod.
Gewaltlos wird der Sieg über die finstere Macht des Todes errungen, indem Gott sich in der Ohnmacht und Verzweiflung mit den Menschen verbunden hat. Gott ist selber verletzlich und verwundbar geworden.
Es ist ein schmerzhafter Sieg, den Gott da erringt. Die endgültige Macht des Todes wurde an Karfreitag und Ostern durchbrochen. Nicht mit einem spektakulären Gewaltakt, nicht mit Gegengewalt wurde sie durchbrochen. Sie wurde durchbrochen, indem Gott selber - wie Jesus - machtlos wurde. Indem er mit diesem Menschen die Ohnmacht ganz teilte, blieb er ihm verbunden - bis zum bitteren Ende - und über dieses Ende hinaus. Es ist kein Bereich mehr, wo Gott fern ist.
Werden wir Gott und dem neuen Leben da begegnen, wo auch er selbst dranbleibt und mitgeht: an der Seite des leidenden Mitmenschen?
Für diese leidenden Menschen ist Jesus selbst drangeblieben. Seine Jünger hatte er gebeten, mit ihm dranzubleiben. „Bleibet hier und wachet!“ hatte er ihnen gesagt, im Garten Gethsemane „... Wachet und betet!“
Einen besinnlichen Karfreitag wünscht Ihnen mit herzlichen Grüssen
Martin Leuenberger, Pfarrer
Unser Organist Martin von Niederhäusern spielt auf der Amsoldinger Orgel:
Lied: Lied 445 O Haupt voll Blut und Wunden (4 Strophen)
Liedtext: Liedtext 445 O Haupt voll Blut und Wunden
Orgel: Thewes Klaus Passion: Gethsemane-Gefangennahme-am Kreuz- Auferstehung
Weitere Gottesdienstmusik und Trauermusik:
http://www.markus-aellig.ch/fu08/subpage_22_corona.html
Andachten und Gottesdienste zum Lesen:
http://www.ref-sg.ch/zusammenhalten.html
Predigten zum Hören:
http://www.radiopredigt.ch oder http://www.kibeo.ch/
Ganze Gottesdienste:
https://www.srf.ch/play/tv/sendung/gottesdienst?id=c63c57c5-e500-0001-9e1f-17701f10133a